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                   Einleitung zu 
                  10. Vom Idealismus zur Rassenlehre  
                  Heinrich Naudh (Nordmann):  Die Juden und der deutsche Staat 
                  Idealismus und Rassismus sind nach gängiger  Vorstellung ebenso extreme Gegensätze wie Geist und Leib, Moral und Triebe,  Vernunft und Hemmungslosigkeit. Wenn dieser Satz noch einer Bestätigung  bedürfte, dann wäre dies die Sinnen - Leibfeindlichkeit der idealistischen  Moral. Aber könnte nicht gerade wegen der extremen Gegensätzlichkeit ein  innerer Zusammenhang zwischen diesen Extremen bestehen?     
                  Die moderne  Wissenschaft ist für diese verborgene Beziehung blind und führt deshalb den  deutschen Rassenantisemitismus auf ausländische Einflüsse zurück, auf den in England  entwickelten Darwinismus und auf Graf Gobineaus Essay über die Ungleichheit der Menschenrassen.(1853-56) Doch schon  bei oberflächlicher Betrachtung scheint die idealistische Moral für eine  rassistische Interpretation sehr viel anfälliger zu sein als eine psychologische  oder soziologische Sicht des moralischen Phänomens. Wenn nämlich das Ich  wirklich autonom und selbsttätig ist, wie der deutsche Idealismus fordert, dann  kann es von niemandem erzogen werden, von keiner Einzelperson, von keiner Gesellschaft,  von keiner Religion. In der zehnten Rede  an die deutsche Nation spricht Fichte das Hauptproblem des deutschen  Idealismus offen an. Die Religion habe die Menschheit durch die Androhung von  Höllenstrafen oder mit der Verheißung himmlischen Lohns für ein gutes Leben  erzogen. Es komme nun im Zeitalter der idealistischen Philosophie darauf an,  das Wohlgefallen am Rechten und Guten um seiner selbst willen an die Stelle der  bisher gebrauchten sinnlichen Hoffnung oder Furcht zu setzen. Wie kann man  jedoch erreichen, dass dieses Wohlgefallen als einzige Triebfeder alles  künftige Leben in Bewegung setze? 
                  Die erste hierbei sich aufdringende Frage ist: aber,  wie soll denn nun jenes Wohlgefallen selbst erzeugt werden? Erzeugt werden, im  eigentlichen Sinne des Worts, kann es nun wohl nicht; denn der Mensch vermag  nicht aus nichts etwas zu machen. Es  muß, wenn unser Vorschlag irgend ausführbar sein soll, dieses Wohlgefallen  ursprünglich vorhanden sein, und schlechthin in allen Menschen ohne Ausnahme  vorhanden sein und ihnen angeboren werden. 
                  „Angeboren“  deutet auf erbliche Eigenschaften, also auf die Rasse. Also scheint zwischen  Idealismus und Rassismus eine Verbindung möglich zu sein. Heinrich  Naudh (eigentlich Heinrich Nordmann) wurde von Theodor Fritsch, einem der  prominentesten Antisemiten des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, dafür gelobt,  als einer der ersten das „Judenproblem“ zusammenfassend behandelt zu haben.1 Der Titel der erstmals 1859, also noch vor der Reichsgründung, von Heinrich  Naudh herausgegeben Broschüre spricht bereits die Hypothek an, mit der deutsche  Politik später belastet werden sollte. Die  Juden und der Deutsche Staat. Dass dieser Autor ein Pseudonym verwandte,  ähnlich wie sich auch Theodor Fritsch auf den Titelblättern seiner Werke des  öfteren als Thomas Frey ausgab, zeigt die soziale Ächtung der Antisemiten zu  dieser Zeit. Auf den ersten Blick scheinen ihre Schriften auch heute wegen  ihrer Verworrenheit und Primitivität keiner ernsthaften Beschäftigung wert zu  sein. Einen Sinn für die wissenschaftliche Erkenntnis historischer  Zusammenhänge ergeben solche Pamphlete erst in Verbindung mit anderen,  ähnlichen Texten. Doch dann erscheint die erschreckende Konsequenz einer nicht  immer ganz geraden Linie von einfachen Anfängen aus der Mitte des neunzehnten  Jahrhunderts über die um 1900 entstandene germanische Weltanschauung bis hin zu Hitlers Mein Kampf und bis zur wüsten  antisemitischen Polemik des Stürmers. 
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                    1 Thomas Frey (alias Theodor  Fritsch) Zur Bekämpfung zweitausendjähriger Irrtümer, Leipzig 1886, S.21 
                    
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